Immobilienblase Deutschland – Pro und Contra

8 Min.

Dieser Beitrag wurde am 1. November 2016 veröffentlicht und könnte veraltete Informationen enthalten.

Wie realistisch ist die Gefahr einer Immobilien-Blase in Deutschland momentan? Besteht die Gefahr eines Kollaps?

blog author

Zurzeit gibt es diverse Spekulationen über eine bevorstehende oder bereits existierende Immobilienblase. Viele Immobilienbesitzer sind beunruhigt, und Kaufinteressenten überprüfen ihre Renditeberechnungen. Dabei setzen die Dotcom-Blase im März 2000 und die Finanzkrise 2008 natürlich Maßstäbe, die sich in den Köpfen festgesetzt haben. Was spricht nun für, was gegen eine „Immobilien-Blase“?

Die erste Immobilienblase gab es in Griechenland unter König Midas (ca. 750 v. Chr.), der damals die Geldmenge durch Reduzierung des Gold- und Silbergehalts erhöhte. Dies führte zu steigenden Immobilienpreisen, die, als der Betrug bekannt wurde, zusammenbrachen.

Die Angst, die jetzt hinter den Befürchtungen steht, beruht auf der Bankenkrise 2008, die durch notleidende Immobilienkredite in den USA ausgelöst wurde.

Wikipedia: „Eine Immobilienblase ist eine Form einer Spekulationsblase. Hierbei kommt es auf einem regional und nutzungsspezifisch abgegrenzten Teilsegment des Immobilienmarktes zu einer deutlichen Überbewertung von Immobilien. Früher oder später erreicht der Markt einen Höchststand; dann fallen die Preise“.

Ob diese Definition ausreicht? Ein moderates Fallen der Preise begründet sicher kein „Platzen der Blase“, lediglich ein radikaler Preiseinbruch mit Zusammenbruch des Marktes würde den Namen verdienen.

Pro Blase

  1. Starke Preissteigerungen in Teilmärkten
  2. Niedrige Zinsen und damit billiges Geld, das Preissteigerungen anheizt und ermöglicht
  3. Niedrige Zinsen in alternativen Kapitalanlagen und immer noch attraktive Renditen im Immobilien-Sektor fördern die Nachfrage
  4. Zu niedrige Tilgungsraten der Kredite (manche Fachleute halten mind. 4% Tilgung beim jetzigen Zinsniveau für notwendig)
  5. Kaufpreise steigen schneller als die Mieten, die Renditen sinken, damit auch die Möglichkeit, den Schuldendienst aus dem Cashflow zu bedienen.

Contra Blase:

Unterschied des amerikanischen zum deutschen Immobilienmarkt:

  1.  Auslöser waren 2008 zwar die faulen Immobilienkredite in den USA, die über entsprechende Finanz-Instrumente über die ganze Welt verteilt wurden, aber Ursache war dann der Zusammenbruch des Interbanken-Handels, weil keine Bank der anderen mehr traute. Ein rein psychologischer Vorgang, der heute durch zusätzliche Sicherungs-Instrumente sicher nicht mehr so stark auftreten würde. Während früher diese Papiere fast als rentenähnlich sicher angesehen wurden, werden sie heute im Bewusstsein des darin steckenden Risikos gehandelt.
  2. Bill Clinton gab während seiner Präsidentschaft in den 90er Jahren die Devise aus, dass das eigene Haus Bestandteil des „amerikanischen Traums“ sei. Dies förderte einen Bau-Boom, die Banken verhielten sich im Sinne des Präsidenten und finanzierten auch bisher nicht kreditwürdige Bauherren.
  3. In den USA werden viele Konsum-Kredite über Grundschulden finanziert. Dabei wird eine tatsächliche oder vermutete Wertsteigerung der Immobilie sofort in eine Erhöhung des Kredites umgesetzt, um Konsumausgaben wie Auto oder Urlaub zu finanzieren. In den USA haben die Banken das problemlos mitgemacht, in Deutschland sind die Banken wesentlich restriktiver, auch natürlich unter dem Einfluss von Basel III. Eine Erhöhung der Grundschuld wird hier nur in Ausnahmefällen vorgenommen, und dann an Zwecke wie Sanierung oder Umbau des Hauses, z.B. altersgerecht, gebunden.
  4. In den USA haftet nur die Immobilie für den Kredit, der Eigentümer kann im Extremfall den Schlüssel bei der Bank einwerfen, ist damit zwar sein Haus, aber auch seine Schulden los, das mit dem Immobilienkredit gekaufte Auto kann er behalten. Er muss darüber hinaus nicht persönlich haften. In Deutschland haftet der Schuldner auch weiterhin, die Grundschuld ist lediglich eine Form der Besicherung des Kredites, aber auch noch nach einer Zwangsversteigerung der Immobilie haftet der ehem. Eigentümer weiter für die Restschuld. Die Besicherungsmasse für die Banken ist in Deutschland also wesentlich größer als in den USA, und gleichzeitig natürlich auch das Risiko-Bewusstsein der Kreditnehmer auf Grund der persönlichen Haftung.
  5. In den USA gibt es wesentlich mehr Voll-Finanzierungen, in Deutschland werden diese nur bei extrem guter Bonität des Schuldners und zusätzlichen Sicherheiten durchgeführt.
  6. Die übliche Eigenkapitalquote von 20%, verbunden mit einer Tilgung von mindestens 3%, sorgt dafür, dass sicherungstechnisch auch erhebliche Wertverluste der Immobilie aufgefangen werden können. Rein rechnerisch beträgt nach 10 Jahren, 80% Finanzierung und 3% anfängliche jährliche Tilgung, die Restschuld nur noch ca. 53% des Kaufpreises. Damit sind auch erhebliche Zinssteigerungen in der Anschluss-Finanzierung aufzufangen. Z.B. kann bei höheren Zinsen dann die Tilgung reduziert werden (in der Zinsphase von 5% war eine 1-prozentige Tilgung üblich) und die Laufzeit verlängert.
  7. Die amerikanische Mentalität fördert Spiel und Risikobereitschaft („The Winner takes it all“); wir sehen es z.B. im Wahlsystem (der Kandidat mit einer Stimme mehr erhält alle Wahlmänner) und der verbreiteten Wettleidenschaft.
  8. Der wesentlich weniger geregelte Arbeitsmarkt in den USA und die geringere soziale Absicherung führen dazu, dass dort Kredite wesentlich schneller notleidend werden – eine schwere Krankheit, Verlust des Arbeitsplatzes können bereits ausreichen
  9. Eine Insolvenz hat in den USA nicht das gleiche Stigma wie in Deutschland, was wiederum die Risikobereitschaft fördert.
  10. Bei selbstgenutzten Immobilien wird  ein kalkulatorischer Wertverlust der Immobilie zunächst keine Auswirkungen haben, solange die Raten bezahlt werden. Und das hängt wiederum in starkem Maße vom Arbeitsmarkt ab.
  11. Vermietete Immobilien: hier könnten Mietpreissenkungen durch Gesetz („Mietpreisbremse“) oder Marktentwicklung für den Kreditnehmer zu Schwierigkeiten führen, jedoch sind bei Fremdfinanzierung üblicherweise genügend Puffer eingebaut.
  12. Auch wenn der Käufer mit einer Brutto-Rendite von 3% zufrieden ist, d.h. er ist bereit , einen hohen Kaufpreis zu bezahlen-, setzt die Bank für die Ermittlung des Beleihungswertes im Ertragswertverfahren mindestens eine Netto-Rendite von 5% an, d.h. der Beleihungswert – und damit das Risiko der Bank – wird entsprechend geringer. Die Differenz zwischen Kaufpreis und Beleihungswert muss der Käufer mit Eigenkapital u.a. abdecken.
  13. Die konservative Bewertungspolitik durch die Banken führt auch dazu, daß bei Marktpreis-Senkungen keine zusätzlichen Sicherheiten gefordert werden müssen – erst solche Maßnahmen bringen auch Eigentümer, die ihre Kredite bedienen, in Schwierigkeiten.
  14. Die momentanen Preissteigerungen der Immobilien, die in engen Märkten höher ist als die Mietpreissteigerungen, müssen auch langfristig betrachtet werden. Die jetzigen Preissteigerungen von teilweise 8%/Jahr in Ballungsräumen sehen im Bundesschnitt wesentlich harmloser aus: zwischen 2000 und 2015 stiegen die Hauspreise um 19%, d.h. jährlich um 1,3% (unterhalb der Inflationsrate!), zwischen 2007 und 2015 um 22%, d.h. 2,75%/jährlich. Natürlich gibt es in Ballungsgebieten stärkere Steigerungen, andererseits machen diese, wie der Index des Statistischen Bundesamtes zeigt, eben nur einen kleinen Teil aus.
  15. Der Hauspreisindex in der Europäischen Union stieg im II. Quartal 2017 gegenüber dem Vorjahr um 4,7%, in Deutschland nur um 3,4%.
  16. Wer heutzutage in Ballungsräumen kauft, weiß, dass die Mietpreise sich langsamer entwickeln als die Kaufpreise und berücksichtigt dies in seiner Kalkulation. Vor allen Dingen aber berücksichtigen es die Banken bei der Kreditvergabe.
  17. Verlorenes Eigenkapital des Eigentümers durch eventuelle Buch-Wertverluste ist zwar schmerzlich und ärgerlich für diesen und führt u.U. zu Alkoholismus, aber nicht zum Zusammenbruch des Bankensystems.
  18. Spanien: hier war Ursache die stark über dem Bedarf liegende Bautätigkeit nach dem Motto – jeder deutsche Kegelbruder kauft ein Haus an der Costa del Sol-, gefördert auch durch staatliche Zuschüsse.
  19. Das Kreditvolumen der Immobilienkredite ist seit 2010 lediglich um 10% gestiegen (Handelsblatt v. 2.3.2017), in anderen Ländern hatte es sich vor der Krise verdoppelt bis verdreifacht. Das Gesamt-Kreditvolumen an Unternehmen und Privatpersonen ist von 2001 bis Q3/2017 nur um 16% gestiegen
  20. In Deutschland wird der Wohnungsbedarf weiterhin steigen, alleine die Zahl der Haushalte durch längere Lebenserwartung, Scheidung und erhöhten Single-Anteil wird sich bis 2030 um ca. 1,5 Mio. erhöhen (Stat. Bundesamt). Auch dies spricht gegen ein plötzliches Einbrechen der Immobilienpreise, da die Nachfrage bestehen bleibt.
  21. Gleichzeitig sind es häufig die extremen Preissteigerungen in Spitzenlagen (München Schwabing, Hamburg Elbe und Alster, Heidelberg Philosophenweg), die die Statistiken verfälschen. Man kann aber davon ausgehen, dass die hier Investierenden über genügend Eigenkapital verfügen, um auch einen unwahrscheinlichen Preisrückgang abfedern zu können.
  22. Hohe Kaufnebenkosten (alleine 5 – 6,5% Grunderwerbssteuer), in Verbindung mit der „Spekulationssteuer“, machen Spekulationen unattraktiver als in anderen Ländern.
  23.  Auch die wesentlich geringere Mobilität in Deutschland im Vergleich zu den USA und damit eine geringere Anzahl von Verkäufen reduziert die Spekulationsmöglichkeit.

Notwendig ist sicher eine solide Wertermittlung und Marktwerteinschätzung der Immobilie, in der nicht bereits die erträumten Preissteigerungen der nächsten 10 Jahre eingepreist sind.

 

In der Abwägung von Pro und Kontra komme ich zu dem Schluss, dass die Angst vor einer Immobilienblase stark übertrieben ist. Die Befürworter einer „Blase“ argumentieren nur mit Zahlen, und zwar fast ausschließlich mit den Preissteigerungen in Ballungsräumen, ohne Hintergründe und Besonderheiten des jeweiligen Umfeldes sowie weiteres Zahlenmaterial zu berücksichtigen.

 

Grundsätzlich andere Rahmenbedingungen als in den USA und Spanien machen einen Zusammenbruch des Marktes äußerst unwahrscheinlich.

Die nochmalige Verschärfung der Immobilienkredit-Richtlinien im März 2016 sichert und verstärkt außerdem die Rückzahlungsfähigkeit der Kreditnehmer. Weitere Informationen auch auf unserer Homepage http://www.bruder-immobilienmakler.de

Kennen Sie schon
unsere Ratgeber?

blog author

Wohnen im Alter

Bewerten Sie jetzt Ihre Immobilie!

Kostenfrei | Unverbindlich