Bestellerprinzip auch für Verkauf? Schreiben an die Bundestagsabgeordneten

9 Min.

Dieser Beitrag wurde am 28. Dezember 2015 veröffentlicht und könnte veraltete Informationen enthalten.

Seit Einführung des Bestellerprinzips für Vermietung wird ein solches auch für den Verkauf diskutiert. Hierbei übersteigt der Populismus bei weitem die Sachkunde

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Betr.: Besteller- Prinzip Immobilienverkauf

Sehr geehrtes Mitglied des Deutschen Bundestages,

einige Parteien fordern das „Bestellerprinzip“ auch beim Verkauf von Immobilien.

Dazu einige Anmerkungen, bei denen ich davon ausgehe, dass Sie Ihnen als Vertreter der sozialen Marktwirtschaft im Geiste von Ludwig Ehrhardt, zu der sich mittlerweile fast alle Parteien bekennnen, nicht neu sind. Andererseits gibt es aber natürlich auch Branchenspezifika, die sich einem erst nach langer Tätigkeit erschließen, und deren Kenntnis für die Beurteilung der Sachverhalte unerlässlich sind.

 

1.      Das Grundgesetz mit der Definition der Grundrechte in den Art. 1 – 19 ist unser höchstes Gut. Auch der Grundsatz der Vertragsfreiheit darf nur bei Vorliegen sehr wichtiger Gründe eingeschränkt werden – und „nice to have“ ist kein „must“. Die Vertragsfreiheit kann auch mit 2/3- Mehrheit nicht abgeschafft werden, deswegen sind auch die Einschränkungen sehr hohen Hürden und im Regelfall einer Prüfung durch das BVG unterworfen

2.      Im Sinne der sozialen Marktwirtschaft haben sich bundesweit die unterschiedlichsten Provisions-Modelle entwickelt, die meistens nebeneinander bestehen, sodass die Parteien wählen können. Wenn der Käufer gerade diese Immobilie haben will, wozu ihn niemand zwingt, sollte er auch das Provisionsmodell, das der Verkäufer gewählt hat, zunächst akzeptieren, wie bei jedem Gesprächsbeginn.

3.      Jedoch hat der Käufer auch hier die Freiheit, dieses Modell mit dem Verkäufer und dem Makler nach der ersten Kontaktaufnahme zu verhandeln. Das Ergebnis hängt, wie üblich, von Angebot und Nachfrage ab.

4.      Der Makler ist kein Verkäufer, sondern ein Vermittler. Nicht umsonst sind im BGB dieser Tätigkeit etliche Paragraphen gewidmet (§652 ff), die diesen Unterschied herausarbeiten.

5.      Der Makler vermittelt ein Gut, das man eben nicht im Laden oder bei einem bekannten Anbieter kaufen kann, sondern bei dem Anbieter und Nachfrager prinzipiell am Markt nicht bekannt sind. Dies ist anders bei Autos, Kleidung, Lebensmitteln, und allen anderen Konsumgütern, bei denen ich in den Laden gehen kann und nur noch jemanden brauche, der es mir vorführt, aber nicht mehr vermittelt im Sinne einer Kontaktherstellung zur anderen Vertragspartei. Ähnlich ist es bei Aktien und Schiffen, die gleichfalls durch Makler vermittelt werden, da auch hier die Parteien sich nur auf diese Weise kennen lernen können.

6.      Während das Bestellerprinzip bei der Vermietung noch mit dem Schutz des sozial Schwächeren im Urteil des BVG begründet wurde, besteht dieses „Ungleichgewicht“ beim Verkauf nicht. Beide Parteien haben Geld – oder auch nicht, eine hohe Restschuld lastet z.B. noch auf der Immobilie, während der Käufer aus dem Eigenkapital zahlt, es sind häufig Scheidungs- oder Erbschaftsfälle, die deutlich in der schwächeren Position gegenüber dem Käufer sind. Der Kaufinteressent muss auch nicht unbedingt kaufen, denn das Mietangebot ist 5 mal so groß wie das Kaufangebot, also könnte er bei einem eventuell vorliegenden Notfall viel leichter mieten.

7.      Und ca. 30 -40 % der Immobilien werden an Kapital-Anleger verkauft, für die nun wirklich keinerlei Schutz notwendig ist.

8.      Der Verkäufer rechnet „Kaufpreis – Nebenkosten“, der Käufer rechnet „Kaufpreis + Nebenkosten“. Aufgabe des Maklers ist es, diese beiden Vorstellungen in Einklang zu bringen.

9.      Die wenigsten Makler würden einen Deal platzen lassen, nur um ihre Provision zu maximieren. Das Risiko wäre viel zu groß, am Ende ganz ohne Abschluss und Provision dazustehen, so dass der Makler IMMER derjenige ist, der am meisten auf eine Einigung drängt, unabhängig vom Preis.

10.  Niemand ist gezwungen, einen Makler in Anspruch zu nehmen, weder Käufer noch Verkäufer. Dies zeigt sich auch dadurch, dass nur 50% der Transaktionen durch Makler vermittelt werden.

11.  Sogar Ärzte können ihre IGEL-Leistungen frei verhandeln und fakturieren, obwohl dieser Sektor sonst streng reguliert ist – aber in diesem nicht notwendigen Bereich gilt auch plötzlich die Vertragsfreiheit – warum nicht bei Maklern?

Was tun wir sonst noch speziell für den KÄUFER?

12.  Bereits unsere Bemühungen, einen Auftrag zu akquirieren, sind genau das, was der Kaufinteressent sonst selber machen müsste: Suchanzeige, “Street Walking“, Aushang am Schwarzen Brett, Flyer in der Nachbarschaft der angestrebten Wohnumgebung – denn sonst erfährt man eben als Suchender/Makler nicht, welche Immobilie verkauft werden soll.

13.  Häufig genug bringt der Makler den Eigentümer schon bei Auftragserteilung von überzogenen Preisvorstellungen ab und dient damit dem Käufer, aber auch dem gesamten Markt. Denn diese überzogenen Preisvorstellungen würden wiederum andere Anbieter beeinflussen, die ja nicht wissen, dass sie nicht zu realisieren sind – wobei dieses bei einem engen Markt dann doch irgendwann der Fall wird und damit das allgemeine Preisniveau treiben würde. Der Makler wirkt also dämpfend auf den Preis.

14.  Sämtliche Unterlagen, die der Makler besorgt, sind im Interesse des Käufers. Wobei auch dieser die Immobilie kaufen kann wie besehen, vom Notar erfährt er vorhandene Belastungen im Grundbuch und kann dann immer noch aussteigen. Aber viele Käufer möchten eben mehr Unterlagen haben, entweder aus eigenem Interesse oder weil ihre finanzierende Bank diese haben will. Der Verkäufer aber braucht nichts davon (außer dem gesetzlich vorgeschriebenen Energie-Ausweis). Wir haben auch schon Käufer erlebt, die sich erst auf unser Drängen die Unterlagen angeschaut haben, wobei wir auf die wesentlichen kaufrelevanten Inhalte natürlich schon vorher mündlich hingewiesen hatten.

15.  Sehr viele Verkäufer kennen die Details ihrer Immobilie nicht, im Interesse des Käufers stellen wir als Makler diese oft erst fest – Bebauungspläne, Altlasten, nicht vorhandene Baugenehmigungen, Außengebiet, Beschlusssammlung etc.. Dem Verkäufer sind diese Dinge meist egal, denn er lebt ja schon lange in seiner Immobilie, für den Käufer können diese fehlenden bzw. falsch angenommenen Informationen wirtschaftlich den Ruin bedeuten.

16.  Wir helfen ihm bei der Steueroptimierung, indem wir die Grunderwerbssteuer minimieren (natürlich keine steuerliche Beratung!) durch optimale Aufteilung des Kaufpreises auf Mobilien, z.B. Einbauküche und Öl-Vorrat, Instandhaltungsrücklage, Grundstücksanteil am KP (für die AfA).

 

Grunderwerbssteuer

17.  Die Maklerprovision ist seit 70 Jahren unverändert, sie nimmt an den Preissteigerungen, aber auch an den Senkungen teil. Im Gegensatz zur Grunderwerbssteuer, die bis 1996 2% betrug und sich innerhalb von 20 Jahren verdreifacht hat, und zusätzlich an den Preissteigerungen teilnimmt. Das Grunderwerbsteueraufkommen betrug 1996 3,17 Mrd DM (=1,6 Mrd Euro), 2017 13,14 Mrd Euro, also eine Verachtfachung.

18.  Während 1996 die Maklerprovision mit 6% netto 300% über der Grunderwerbsteuer (2%) lag, ohne dass sich jemand aufgeregt hat, ist jetzt die Grunderwerbsteuer teilweise höher als die Provision, aber plötzlich ist die Provision Grund allen Übels – nicht gerade logisch!!!

19.  Der EPX-Hauspreis-Index ist von 2005 bis 2018 um 46,8% gestiegen = 3,6%/jährlich, bei den Neubauten allerdings um 57%. Hier sind natürlich die gestiegenen Handwerkerpreise und Grundstückspreise der Haupttreiber – und gerade der Neubau soll ja gefördert werden.

20.  Ein wirklich bremsender Faktor beim Neubau ist, daß die Grunderwerbsteuer nicht nur auf das Grundstück, sondern auch auf den GEPLANTEN Bau des Einfamilienhauses erhoben wird – die Maklerprovision lediglich auf das Grundstück. Jeder Bauherr empfindet das als extreme Zumutung und logisch nicht zu begründen. Da der Grundstücksanteil meist nur ¼ – 1/5 des Gesamtwertes beträgt, ist die Hebelwirkung der Grunderwerbsteuer auf den Gesamtbau erheblich, die Maklerprovision für das Grundstück „Peanuts“

21.  Gerade bei den NEUBAUTEN, die gefördert werden sollen, hat die Maklerprovision einen extrem geringen Anteil an den Kosten:

a) die Maklerprovision wird nur auf das Grundstück, nicht den geplanten Bau erhoben (s. Pkt. 20).

b) die meisten Bauträger haben ihren eigenen Vertrieb oder vertreiben über Vermögensberater, wo dann allerdings Innenprovisionen von bis zu 15% gezahlt werden. Dieses wird auch durch eine gesetzliche Regelung nicht in den Griff zu bekommen sein, denn wer soll hier klagen? Der Bauträger, der seit Jahren erfolgreich mit der Vermögensberatung zusammenarbeitet? Der Käufer, der die Provision überhaupt nicht kennt?

c) Damit wird bei Neubauten bereits in über 90% der Fälle eine reine Innenprovision genommen, was daran liegt, daß hier die Verkäufer vorwiegend Unternehmen sind und die Provision für diese steuerlich absetzbar ist.

22.  Dass heißt also, das gerade im Neubaubereich, der besonders gefördert werden soll, durch ein gesetzliches Bestellerprinzip überhaup KEIN   Effekt eintreten würde.

23.  Ein gesetzliches Bestellerprinzip wäre der wirtschaftliche Ruin eines Großteils der Makler: bereits das Bestellerprinzip bei der Vermietung hat zu einem Rückgang der Vermietung durch Makler von 64% in 2013 auf 23% in 2017 geführt (Statistik IMV für den Landkreis Rhein-Neckar und Heidelberg). In unserer Geiz ist geil-Gesellschaft würde dies beim Verkauf zu einem mindestens ähnlich großen Rückgang führen, auf Grund der absoluten Provisions-Summen vermutlich noch zu einem höheren. Während bei der Einführung des Vermietungs-Bestellerprinzipes die Makler noch die Gelegenheit hatten, verstärkt auf den Verkauf umzustellen, gibt es jetzt keine Alternative mehr. Innerhalb kürzester Zeit müssten sich viele Kollegen – einschließlich ihrer Mitarbeiter – vom Markt verabschieden.

24.  Nutznießer wären damit einige große Maklerunternehmen, die über erhöhten Marketingaufwand vielleicht ihre Position halten können, sowie die Bankenmakler, die über die Kreditvermittlung und die internen Datenbanken sowieso schon einen Wettbewerbsvorteil haben. Die Provision ist in dem Bereich oft nur „Beifang“ und resultiert oft aus der Finanzierung des Bauträgers, der dem Diktat der Bank unterworfen ist.

25.  Wenn andere Länder als Vergleich angeführt werden, so ist festzustellen, dass die Provisionszahlung fast überall örtliche Übung ist, aber kein Gesetz. Überdies passen sich in allen Ländern auch die übrigen Kosten an, so sind die Inseratskosten z.B. dann auch entsprechend niedriger. In den USA und Kanada z.B. aber betragen die Provisionen auch 6%, dem weltweit größten Immobilienmarkt (China nicht bekannt).

26.  Auch die Gerichte würden zunehmend belastet: eine kurze Analyse zeigt, dass ¾ aller Klagen bei Immobilien-Kaufverträgen Objekte betreffen, die ohne Makler verkauft wurden.

Wenn es darum geht, Neubauten zu fördern, denn nur das erhöht die Gesamtzahl des Wohnraumes und entlastet die Mieten, so gibt es nur folgende Möglichkeiten:

  1. Reduzierung der Grunderwerbsteuer, zumindest bei Erstbezug und/oder Eigennutzung
  2. Grunderwerbsteuer bei Neubau nur auf das Grundstück, nicht auf das geplante EFH
  3.  Mehr Bauland zur Verfügung stellen
  4. Schnellere Genehmigungsverfahren
  5. Bauvorschriften entschlacken, um den Bau zu verbilligen
  6. Kommunen bauen wieder eigene Wohn-Bestände auf

Die Maklerprovision ist gerade bei Neubauten ein sehr geringer Faktor, bei Bestandimmobilien würde das „Bestellerprinzip“ einen reinen Mitnahmeeffekt ohne jede positive Marktauswirkungen haben – sondern mit diversen negativen Auswirkungen.

Jetzt rächen sich eben die Sparmaßnahmen der Vergangenheit, als Bauämter personell ausgedünnt wurden – was sich auch auf alle Infrastrukturbauten auswirkt -, Wohnbestände der Kommunen verkauft wurden (Vonovia u.a.), eine Überregulierung der Bauvorschriften und das Bestreben, das Rad ständig neu erfinden zu wollen.

Und dafür soll jetzt die Gruppe der Immobilienmakler den Sündenbock spielen.

Mit freundlichen Grüßen

 

Ernst-Werner Bruder

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